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Die schreckliche Macht der Monopole - Artikel in der Frankfurter Zeitung von 1923


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    Die Wirtschaftspolitik der Regierung Stresemann – wenn die furchtbar drohende Gefahr des Reichszerfalls überhaupt noch Wirtschaftspolitik zu treiben erlaubt – wendet sich an populäre Gefühle. Ordnung des Geldwesens, Erhöhung der Produktion und Abbau der Preise: Es ist die Sehnsucht von jedermann. Gefahr aber entsteht, wenn man dieser Sehnsucht vorzeitig und übertrieben Erfüllung verspricht. An der allzu lauten Ankündigung einer „neuen Währung“ durch den Reichskanzler ist Dr. Rudolf Hilferding (SPD) als Finanzminister gescheitert: Der innere Kampf um die Grenze des währungsfachlich noch zu Verantwortenden verzögerte die Arbeit an der Hauptaufgabe, der Beseitigung der Defizitwirtschaft, zum Schaden des Ganzen. Das sollte warnen.

    Auch „Produktionssteigerung“ ist nicht allgemein mit einem Schlage anzuordnen; schon, weil man, von allem anderen abgesehen, dafür auch die Möglichkeit des Absatzes, die Aufnahmefähigkeit des Marktes, braucht. Und der Kampf gegen die Ausbeutung durch die Kartelle? Wer diesen Kampf so lange und mit so viel Mühe geführt hat wie wir, ohne dass diejenigen sich auch nur zu regen wagten, für die er geführt wurde, der kann die jetzige Popularität mit Genugtuung konstatieren.

    Aber er muss auch sofort vor gefährlichen Schlagworten warnen. Schon geht die Parole um: „Zerschlagung der Kartelle.“ Das klingt so natürlich. Und die vielen Harmlosen, die den Ruf aufgreifen und nachsprechen, ahnen gewiss nicht, wessen Interessen sie damit in Wirklichkeit betreiben! Aber nicht um die spezielle Organisationsform der Kartelle, sondern um das große Problem von Monopolmacht oder Freiheit in der Wirtschaft hat der Kampf zu gehen. Und nach diesem Ziele sind die Mittel zu wählen.

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    Die Konkurrenz tötet die Konkurrenz, hat schon der französische Sozialist Jean-Pierre Proudhon (1809 bis 1865) gesagt; das Wort erläutert die große Konzentrationsentwicklung der letzten Jahrzehnte. In der Atomisierung des freien Wettbewerbs kämpften die einzelnen Fabrikanten und Händler um den Absatz; sie drückten sich die Preise, verminderten sich den Gewinn, während durch eine reiche Entwicklung der Technik das Kapitalrisiko wuchs. Schließlich kam man auf den Gedanken, nicht mehr gegeneinander zum Vorteil des Abnehmers, sondern im Bunde miteinander gegen den Käufer zu kämpfen: In Abreden, Konventionen, Kartellen und Syndikaten regelte man die Preise. Das Ziel war, die Preise – im Durchschnitt – höher zu halten als im freien Wettbewerb.

    Aber wie es immer gute und schlechte Kartelle gab, so auch gute und schlechte Wirkungen ihrer Preispolitik. Ausbeutung wurde möglich. Aber möglich wurde, bei vernünftiger Preispolitik, auch eine größere Stabilität der Wirtschaft, Ausschaltung übertriebener Preisstürze und Preissprünge, und damit eine Abminderung von Konjunkturschwankungen, eine Einebnung der Konjunkturkurven, eine Linderung der periodisch das Wirtschaftsleben erschütternden Krisen mit ihren für Unternehmer (Kapitalverlust) und Arbeitnehmer (Arbeitslosigkeit) gleich verheerenden Folgen. Die Ideologen waren in heftigem Streit. Die einen sahen in jeder Preisvereinbarung ein Verbrechen; lange Zeit war speziell die amerikanische Wirtschaftspolitik von dieser Auffassung beherrscht. Die anderen aber begeisterten sich für diese Tendenz zur Organisation, zur Assoziation, sahen darin vielfach schon den Anfang einer künftigen sozialistischen Ordnung. In den Plänen der Planwirtschaftler erklomm diese Auffassung ihren Gipfel.

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    Author: Jose Wilson

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